(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 4/03, 6) < home RiV >

EDV: nach den Chancen

nun die Risiken

 

– lemminghafte[1] Ausgliederung

 

Nachdem die erste Phase anfänglicher grundsätzlicher Skepsis vieler Kollegen gegen EDV mehr und mehr gewichen ist, haben viele in der zweiten Phase die großen Vorteile der EDV in ihren vielfältigen Formen zu genießen gelernt. In der jetzt eingeläuteten dritten Phase droht die Bereitschaft der Kollegen zur Innovation nun ausgenutzt zu werden. Die Gefahren lauern weniger in Viren, Trojanischen Pferden, Würmern und Hackern von außen (das ist alles technisch zu bewältigen). Es ist der Senat, unser Freund der Justiz, der jetzt Strukturen schafft, die die Justiz noch weiter schwächen. Das liegt an der geplanten noch stärkeren Verlagerung der Verantwortung für die EDV von der Justiz zunächst zum LIT (Landesamt für Informationstechnik), von dort auf die Datenzentrale Altenholz bei Kiel - künftig Dataport (der Staatsvertrag zur Fusion LIT/Dataport liegt der Bürgerschaft als Gesetzentwurf vor[2]) und von dort über kurz oder lang sicherlich in eine privatisierte GmbH[3]. Das alles ohne eine Mitwirkungsmöglichkeit der Justiz: im Verwaltungsrat von Dataport sitzt die Justiz natürlich auch nicht; das ist der Stadt als solcher vorbehalten.)

Die Verlagerung erfolgt in unterschiedlicher Weise: durch Verlagerung von Kompetenzen (Dataport wird Dienstherr auch für den hamburgischen Teil der EDV, und die Rechtsaufsicht liegt bei einem schleswig-holsteinischen Minister), durch Verlagerung von Technik und durch Verlagerung von Personal.

Selbst wenn trotz der Fusion zunächst ein Teil beim hamburger LIT bleiben wird, so muss dies nicht auf ewig so bleiben. In bewährter Salami-Taktik wird Scheibchen für Scheibchen zusätzlich zentralisiert werden, denn das ist ja vermeintlich kostengünstiger. Ganz offen heißt es in der Präambel des Staatsvertrags: "Durch den Zusammenschluss werden Synergieeffekte erwartet, die Kostensenkungen und Effizienzsteigerungen ermöglichen."

Insbesondere die Verlagerung von Personal aus dem Justizbereich heraus ist Gegenstand des neuen Projekts "ESARI" (Effizienzsteigerung der Arbeit durch Reorganisation der IUK-Strukturen[4]). ESARI will insbesondere in Verfolgung der Jesteburger Beschlüsse die EDV-Organisation "schlanker" machen; durch "Konzentration" sollen zentrale Strukturen ausgebaut werden; zur "Vereinheitlichung" soll ein "Standard-Warenkorb" geschaffen werden, um die Vielzahl der Anwenderprogramme zu verringern; "individuelle Programme am Arbeitsplatz werden zunehmend unter Kostengesichtspunkten geprüft". Wegen zu erwartender Widerstände wurde ein "Akzeptanzmanagement-Team" eingesetzt. Gegen die Personalverlagerung hat der Richterverein mit dem in diesem Heft der MHR veröffentlichten Schreiben an den Justizsenator protestiert.

ESARI will Redundanz (mehrfaches Vorhandensein) abbauen. Redundanz ist jedoch nicht nur negativ zu sehen. Redundanz schafft Fehlerfreundlichkeit: Während in einem System mit zentralem Knotenpunkt ein Fehler dazu führen kann, dass alle angeschlossenen Subsysteme lahmgelegt werden, beeinträchtigt der Ausfall eines dezentralen Systems nicht auch die verbundenen anderen dezentralen Systeme, bei denen in "redundanter" Weise wichtige Ausstattungen ebenfalls vorhanden sind. Möglicherweise kostet das etwas mehr. Aber man darf gespannt sein, was es kosten wird, wenn nach einer Zentralisierung bei Dataport wegen irgendwelcher Fehler gleich landesweit bei allen Behörden mal ganz schnell Notmaßnahmen erforderlich sind.

ESARI und Dataport werden auch für die richterliche Arbeit Konsequenzen haben: weniger Service vor Ort (längere Wege für gelegentlich unvermeidbaren Kontakt zum Servicepersonal und längere Bearbeitungszeiten für Hilfeanfragen), weniger Flexibilität vor Ort, Abhängigkeit der Gerichtsverwaltungen von außerhamburgischen Verwaltungen. Die marketinghaften Anpreisungen der ESARI-Verantwortlichen versprechen zwar genau das Gegenteil; die künftigen Strukturen sprechen aber eine andere Sprache.

Die auch mit Einsparungszwecken begründete EDV-Verlagerung ist ungerecht: den Sparzwängen hat die Justiz bereits dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass für die Einführung der EDV andere Personalstellen gestrichen wurden. Die Justiz hat ihre EDV also großteils bereits "bezahlt".

Die EDV-Verlagerung ist unzweckmäßig, denn Flexibilität vor Ort geht verloren.

Die EDV-Verlagerung ist auch rechtswidrig, denn sie greift in unzulässiger Weise in die Organisationshoheit der Dritten Gewalt ein.

 

------------- Organisationshoheit ----------------

 

Organisationshoheit? Ja, das hat die Justiz zumindest in ihrem Kernbestand, auch wenn nicht zu verkennen ist, dass die Exekutive die Justizverwaltung in ihren Händen hält. Eine Organisationshoheit der Gerichte anerkennt begrüßenswerterweise auch der Justizsenator in seinem in diesem Heft abgedruckten Schreiben. Ganz besonders greift dieser Gesichtspunkt, wenn man mit dem Hessischen Datenschutzbeauftragten dem Gerichtspräsidium als Ausfluss der Geschäftsverteilungskompetenz sogar die alleinige Befugnis zur Vergabe von EDV-Zugriffsrechten im Gerichtsbereich zuspricht[5].

Es darf ganz offensichtlich jedenfalls nicht sein, dass justizexterne Verwaltung (ohne Weisungsrecht der Gerichtspräsidenten oder auch nur des Justizsenators und mit der Befugnis, private Subunternehmer einzuschalten) über die EDV die inneren Organisationsabläufe der Gerichte bestimmt. Auch wenn die Justiz selbst nicht zu einem EDV-Unternehmen mutieren möchte, bleibt ihr gar nichts anderes übrig, als in ihrem eigenen EDV-Bereich das Sagen zu haben[6]. Daran würde auch ein Einverständnis der Gerichtspräsidenten mit dem Staatsvertrag nichts ändern, denn sie sind nicht Vertragspartei des Staatsvertrags und schließen mangels eigener Rechtssubjektivität auch mit dem Senat keinen Vertrag, so dass sie ihre Nachfolger nicht binden würden.

Niemand ist gegen Aufgabenkritik, aber mit "Verschlankung" der Justiz ist nicht gemeint, dass die Justiz für die verbleibenden Aufgaben ihres Unterbaus beraubt wird.

Diese Ansicht teilt der Justizsenator offenbar in seinem Antwortschreiben (in diesem Heft). Nachdem er im Gespräch mit dem Richterverein vom 02.07.03[7] noch wenig vom Ziel einer Selbstverwaltung der Justiz hielt (dieses Ziel wird durch ein Auslagern von organisatorischen Kernaufgaben geschwächt), hebt der Senator jetzt die Gewaltenteilung deutlich hervor. Ob darin eine Trendumkehr beim Senator auch hinsichtlich einer Selbstverwaltung liegt, bleibt abzuwarten.

Mit seinem Satz,

"die Dienststellen der Justiz werden sich im Rahmen ihrer Organisationshoheit die gezielte Beauftragung von Dienstleistungen vorbehalten",

trifft der Senator jedoch nicht die Problemzone. Das Problem ist nicht die gezielte Beauftragung (beauftragen kann man viel - wenn man das Geld dazu hat). Eines der Probleme ist vielmehr die Kontrolle der Modalitäten der Auftragsdurchführung: die Justiz hat kein Weisungsrecht gegenüber den internen Hierarchien von LIT/Dataport.

Wie wichtig dieser Teil der Organisationshoheit ist, zeigt beispielhaft folgende Begebenheit: Beim Amtsgericht gab es vor Jahren bei der EDV-Einführung auf den Geschäftsstellen das Problem, dass das Programm den neuen Geschäftsverteilungsplan (GVP) nicht richtig umsetzte und die Geschäftszeichen falsch verteilte, so dass der gesetzliche Richter nicht gewahrt war. Zunächst sagte die gerichtseigene EDV-Abteilung, das lasse sich nicht anders machen. Erst als die Richter und die Präsidialabteilung intensiv darauf hinwiesen, dass nicht die EDV die Vorgaben für den Geschäftsverteilungsplan mache, sondern die EDV den vom Präsidium verbindlich erlassenen GVP umzusetzen habe, war das auf einmal doch technisch möglich. Man möge sich einmal vorstellen, wie das gelaufen wäre, wenn die Programmierer in Kiel/Altenholz gesessen hätten und unser Präsident ohne Weisungsrecht nur ein Bittsteller unter Vielen gewesen wäre. Er hätte dann die Alternative gehabt, entweder einen überlasteten und justizunkundigen und auf das "Wohlwollen" des Präsidenten nicht angewiesenen externen Sachbearbeiter zu überzeugen, oder den Instanzenweg der Hierarchie in Hamburg nach oben, von dort rüber nach Schleswig-Holstein und dort wieder runter zum Sachbearbeiter zu gehen: wir hätten vielleicht jahrelang mit Urteilen ohne gesetzlichen Richter leben müssen, die alle aufhebbar gewesen wären. Derartiges wird in Zukunft leichter möglich sein.

 

Karin Wiedemanns Editorial in dieser MHR zeigt, welches hierarchische Verständnis schon in der Hamburger Finanzbehörde gegenüber den Richtern gehegt wird. Welch' geringe Aufgeschlossenheit unseren Anliegen gegenüber mag man da erst bei einer schleswig-holsteinischen Behörde befürchten müssen, die bereits jetzt eine unglaubliche Fülle an außerjustitiellen EDV-Aufgaben hat (sie verwaltet u.a. die EDV der meisten Kommunen in Schleswig-Holstein; laut Staatsvertrag soll Dataport zentraler Dienstleister für alle hamburgischen und schleswig-holsteinischen Verwaltungen werden; wir reihen uns ein in eine Vielzahl u.a. auch von Kommunen).

 

Eine eigene Kompetenz der Justiz für ihre EDV kann auch nicht ersetzt durch eine bestimmte Regelung von Zugriffsrechten, denn solange die Server außerhalb der Justiz stehen, liegt immer auch das oberste Zugriffsrecht des „Enterprise-Admins“ außerhalb der Justiz.

 

------ Datenschutz und Dienstaufsicht ------

 

Neben der Beeinträchtigung der Organisationshoheit besteht auch das Problem des Datenschutzes für den Richter[8].

 

Zwar regelt der Staatsvertrag auch den "Datenschutz". Damit ist jedoch nicht der Schutz dienstlicher Belange wie etwa des Amtsgeheimnisses oder des Beratungsgeheimnisses oder der richterlichen Voten gemeint. Zwar wird es auch dafür nach einer Verlagerung zu Dataport sicherlich Rechtsnormen geben. Jedoch sind das Problem nicht allein die Regeln, sondern die Kontrolle ihrer Einhaltung.

 

Dies war bereits Gegenstand des Gesprächs des Richtervereinsvorstands mit dem Justizsenator am 02.07.03[9]. Der Senator war damals der Ansicht, ein gewisses Grundvertrauen gegenüber der EDV - auch gegenüber externer EDV - sei erforderlich.

Vertrauen zu haben ist zwar ein durchaus positiver Charakterzug, darf aber nicht in Vertrauensseeligkeit übergehen: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Die Verlockungen für Techniker, das technisch Machbare auch dann auszuprobieren, wenn dem "eigentlich" Regeln entgegenstehen, kann ich als technisch gut ausgestatteter Mensch zwar menschlich verstehen. Und auch als dienstlicher Anwender bin ich im Einzelfall froh, wenn mir bei einem technischen Problem die EDV trotz entgegenstehender Vorschriften wenigstens mit einer "quick and dirty"-Lösung helfen kann. Aber ein gutes Werkzeug (EDV) kann man auch schlecht einsetzen und EDV kann man auch für Dinge einsetzen, für die sie nicht eingesetzt werden darf.

Ufert die Kontrolle der Richter durch die EDV in lückenlose Überwachung aus[10], so ist sie nicht mehr von der Befugnis gedeckt, missbräuchliche richterliche Nutzung aufzudecken. Das Schlimme daran ist, dass der Richter diese Kontrolle nicht einmal bemerkt, während die offene Dienstaufsicht - etwa bei Berichtsanforderungen - vom Richter auf ihre Zulässigkeit jederzeit überprüft werden kann. Aber welcher Richter hat denn schon einmal die primären Log-Dateien eingesehen, in denen seine Intranet- und Internetzugriffe automatisch protokolliert werden[11]? Wer hat je die sekundären Log-Dateien eingesehen, aus denen ersichtlich ist, wer - befugt oder unbefugt - in die primären Log-Dateien über das richterliche Netzverhalten Einblick genommen hat? Welcher Richter weiß schon, wer alles die Berechtigung eingeräumt bekommen hat, auf seine Ordner zuzugreifen? Wo sitzen diese Personen, wo werden sie nach der Fusion sitzen, wem leiten sie ihre Informationen weiter?

 

Nur gelegentlich wird mal die Neugier der EDV-Leute deutlich nach außen erkennbar: ich selbst wechselte in den letzten Jahren zweimal zwischen zwei Gerichten. In beiden Fällen musste ich große Datenmengen mitnehmen, die die EDV jeweils auf eine CD brannte und die die EDV des Empfangsgerichts dann auf den dortigen Server in meinen Ordner speichern sollte, und in beiden Fällen sprach mich jeweils ein EDV-Mann auf bestimmte Dateien an, ob ich denn gerade die wirklich bräuchte (ich brauchte sie). In 100% der (beiden) Fälle haben also die EDV-Leute nicht der Versuchung widerstehen können, in meine Dateien/Ordner zu schauen. Soviel zum "Grundvertrauen"[12].

 

Der einzelne Richter hat ein Recht darauf, die Protokolle betreffend seinen Netzverkehr und betreffend fremder Zugriffe auf seine Dateien einzusehen, denn bei diesen Protokollen handelt es sich auch um beobachtende Maßnahmen im Rahmen der Dienstaufsicht. Dies hat der BGH[13] für Telefonprotokolle entschieden:

Wenn die Daten vom Richter geführter Telefonate gespeichert werden, so ist dies eine Maßnahme der Dienstaufsicht und kann deshalb gegen diese das Richterdienstgericht angerufen werden. Es liegt jedoch kein Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit vor, solange eine bloße Beobachtung ohne Einflussnahme erfolgt. Im Falle des BGH spielte es zudem eine Rolle, dass der Inhalt der Telefonate nur mit nicht erfolgter Installation zusätzlicher Geräte abhörbar war; bei elektronischem Netzverkehr ist eine inhaltliche Kontrolle technisch jedoch ohne weiteres möglich.

 

Interessant wird nach dem Outsourcen werden, ob der Dienstherr dann die Einsicht in die Protokolle verwehren kann mit der Begründung, er habe nun ja selbst keinen Zugriff mehr darauf, oder ob er wenigstens verpflichtet ist, sich die Protokolle auf Anforderung des Einzelnen erst noch zu beschaffen.

 

-------- wirtschaftliche Sinnlosigkeit ---------

 

Die Frage wirtschaftlicher Sinnhaftigkeit von EDV-Outsourcing stellt sich zwar nicht speziell nur für die Justiz, ist aber für sie genauso interessant wie für andere Bereiche. Ob die Justiz technische Vorgänge "outsourcen" will, muss wie gesagt in ihre eigene Entscheidung gestellt werden und darf vor allem nicht irreversibel ausgestaltet werden, wie es hier per Staatsvertrag (!) erfolgt.

Ein Anschluss- und Benutzungszwang ist zwar nicht rechtlich festgelegt, besteht aber faktisch, weil das Hamburger Telekommunikationsnetz nach Auslagerung in ein hamburger Sondervermögen dann an dataport vermietet werden soll.

 

Wenn die Justiz nach einem Outsourcing feststellen sollte, dass die Qualität des EDV-Services nachlässt (z.B. wenn Dataport irgendwann aus Kostengründen dazu übergehen sollte, schlecht geschultes Personal zu verwenden oder erforderliches Personal abzubauen oder ihr Interesse an einzelnen besonders aufwändigen Justizbereichen verliert, in denen es derzeit wegen der hohen Wichtigkeit einen 24-Stunden-Support durch in der Justiz geschulte Mitarbeiter gibt, wie z.B. im staatsanwaltschaftlichen MESTA-Bereich), und dass dadurch die Aufgaben der Justiz nicht mehr hinreichend erfüllt werden können, dann muss die Justiz die Möglichkeit behalten, das Outsourcing rückgängig zu machen.

 

Während in der Wirtschaft mit einem Outsourcing auch das Ziel verfolgt wird, einen Betriebsteil in den Wettbewerb am Markt zu stellen - also mit einer stetigen Möglichkeit, die Geschäftsbeziehung zu verändern oder zu beenden - und damit zu größeren Leistungen anzuspornen, führt die Auslagerung der EDV per Staatsvertrag zu einer Quasi-Monopolstellung von Dataport. Der Staatsvertrag kann frühestens zum 31.12.2013 gekündigt werden und sieht eine Kündigungsfrist von 5 Jahren vor[14].

 

Während die Wirtschaft zunächst ebenfalls wie die Lemminge auf den jeweiligen Marktführer starrend zunächst outsourcte, was das Zeug hielt, ist dort inzwischen Einsicht eingekehrt. Umfangreiche empirische Untersuchungen haben gezeigt, dass die Kosten der internen und sogar der noch fragmentierten IT-Abteilungen in der Tendenz niedriger sind als die der verselbständigten Tochterunternehmen[15].

 

Die Kosten von in Tochterunternehmen outgesourcter EDV sind laut dieser Studie teilweise sogar doppelt so hoch; deshalb hat das Outsourcing (nur?) in der Wirtschaft manchmal auch andere Hintergründe: Problemherde auf Distanz halten, Mitbestimmung umgehen. Mit den hohen Kosten des Outsourcing einher gingen Kontroll- und Informationsverluste im eigenen Hause. Kernkompetenzen in wichtigen Bereichen wie Rechnungswesen und Informationstechnik kamen abhanden. Spezialisierte Mitarbeiter quittierten wegen der schlechten Behandlung/Bezahlung oft unverhofft den Dienst, was immer wieder zu Ad-hoc-Problemen führte.

 

In der Wirtschaft beginnt der Trend langsam, sich umzukehren; die Marktführer insbesondere im Banken- und Automarkt fangen an, wieder einzugliedern: "Insourcing ... wird einer der wichtigsten Trends der nächsten Jahre sein", so eine Hamburger Unternehmensberatung nach Untersuchung von mehr als 100 Firmen[16].

 

Die öffentliche Verwaltung ist wegen ihres permanenten Timelags aber immer noch auf dem falschen Outsourcing-Trip, nach dem Motto "was für die kostenbewusste Wirtschaft gut ist, das kann für die Verwaltung nicht schlecht sein", nicht erkennend, dass die Wirtschaft schon wieder die Richtung wechselt. Aber wenn irgendwann auch die Hamburger Verwaltung merkt, dass sie auf dem falschen Weg ist, dann kann sie sich anders als die Wirtschaft, die natürlich immer noch Hauptgesellschafter ihrer ausgegliederten Tochtergesellschaften geblieben war, nicht so einfach vom langfristig angelegten Staatsvertrag lossagen.

 

Fazit: Die anstehende EDV-Verlagerung aus der Justiz ist rechtswidrig, ungerecht und unzweckmäßig.

 

Wolfgang Hirth


 

[1] frei nach dem Titel "Lemminge im deutschen Mangement", von Klaus-Dieter Leciewski, FAZ 17.11.03, der das Outsourcing von EDV in der Wirtschaft behandelt; hierzu weiter unten bei Fußn. 15

[2] BürgerschaftsDrucks. 17/3236 vom 26.08.03

[3] In der Drucksache befinden sich schon jetzt Regelungen, "falls Dataport ... in eine private Rechtsform ... umgewandelt werden sollte". Und § 3 II des Staatsvertrags sieht vor: "Dataport kann sich zur Aufgabenerfüllung Dritter bedienen, weitere Unternehmen gründen und sich an fremden Unternehmen beteiligen".

[4] Material dazu im Intranet unter www.fhhintra net.stadt.hamburg.de/FHHintranet/OrgaIT/IuK/esari-30k/start.html und in Outlook/öffentlicher Ordner/FHH/IuK/Tagungen.../Herbst...

[5] www.hefam.de/khh/antwortcarl.html

[6] Allein unter dem Gesichtspunkt der Gewaltenteilung betrachtet, wäre eine Privatisierung derart, dass die Justiz selbst eine private Firma beauftragt, nicht zu beanstanden: vgl. Hess. Datenschutzbeauftragter, www.hefam.de/khh/antwortcarl.html

[7] vgl. Schmidt-Syaßen, MHR 3/03, S. 3

[8] vgl. zu Details den Hessischen Datenschutzbeauftragten, www.hefam.de/khh/datenschutz.html

[9] vgl. Schmidt-Syaßen, MHR 3/03, S. 3

[10] ganz abgesehen von sonstigen Gängelungen der Richter durch übertriebene Beschränkungen seitens Administratoren, wie sie z.B. von Karin Wiedemann im Editorial dieses Heftes beschrieben sind (Sperrung bestimmter Internetseiten) und die sich weiter ergänzen ließen: keine CD-Laufwerke, keine bestimmten email-Anhänge, Sperrung des Dateimenüs im Internet­‑Explorer, Sperrung des Suche-Menüs im Startordner, keine Änderung einer falschen Uhrzeit, keine eigene Installation von Software, Festlegung von Startseiten des Browsers

[11] Die hamburgischen Richterräte sind auch in diesen wichtigen Detailfragen am Thema dran. Möge Ihre Mühe von Erfolg gekrönt sein. Vgl. zur diesbezüglichen Arbeit der Richterräte in Hessen: Piorreck, www.hefam.de/khh/oberaula.html und www.hefam.de/khh/pio.html

[12] Das ändert nichts daran, dass in unserer EDV gute Leute sitzen, die sich mit viel Engagement positiv um uns bemühen. Aber gute Leute können auch in falschen Strukturen sitzen und auch gute Leute müssen einer Aufsicht unterliegen.

[13] BGH NJW 1995, 731 

[14] BüDrucks. 17/3236; vgl. auch den Gesetzentwurf vom 9.9.03 zum Sondervermögen, BüDrucks. 17/3304: "Das Sondervermögen überträgt die Durchführung des Netzbetriebes langfristig auf Dataport. Dabei verpflichtet sich die FHH gleichzeitig, das Netz langfristig zu nutzen."

[15] FAZ a.a.O. Fußn. 1: Untersucht wurden die 30 DAX-Unternehmen sowie die weiteren 100 größten deutschen Unternehmen. Bestätigt finde ich den Befund durch eigene Gespräche mit leitenden EDV/Or­ga-Mitarbeitern 4 großer hamburgischer Unternehmen

[16] Viehöver, Selbst ist die Belegschaft, in "Die Zeit" Nr. 47/2003 vom 14.11.2003 =  www.zeit.de/2003/47/Insourcing

 


 

nachträgliche Anmerkung v. 5.4.05:

In einem Artikel zum Hamburger Landesbetrieb Krankenhäuser am 4.4.05 im Hamburger Abendblatt hieß es:

"Kritisch äußerten sich die beiden Vorstände zur Praxis der vergangenen Jahre, Unternehmensteile auszulagern und extern betreiben zu lassen (outsourcing). Die so entstandene Struktur sei kaum noch zu beherrschen. Die Unternehmensleitung werde wieder verstärkt auf 'insourcing' setzen. ... Konkret seien jetzt sowohl die geplanten Verlagerungen des IT-Bereichs als auch .... gestoppt."

Wolfgang Hirth