(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 3/05, 9) < home RiV >
 

 

Vorstehende Karrikatur hat Heinz Günter Landgrebe für die MHR zum nachfolgenden Thema „Stellenstreichungen“ nach einer Idee von W. Hirth gezeichnet. Das Multitalent Landgrebe (Maler, Filmer, Entertainer) war Mitarbeiter des Hamburger Handelsregisters, bevor er vor ein paar Wochen in Pension ging. Landgrebes Amateurfilm „Achtern Dieck“ zeigt der Richterverein in Anwesenheit von Hans Scheibner im kommenden Januar.

Sinkende Richterzahlen

trotz vorhandenen Geldes

 

Die Gesamtzahl der Hamburger Richterstellen[1] aller Gerichtszweige gemäß Stellenplan entwickelte sich in den Jahren 1993 bis 2004 und 2005[2] wie folgt[3]:

(2001 = Beginn des CDU-geführten Senats)

 Obiges Diagramm ergibt sich aus folgender Tabelle[4]:

Aus dem eingangs gezeigten Diagramm bzw. aus der Summenzeile in obiger Tabelle ist ersichtlich, dass Ende 2005 die Gesamtzahl der Richterstellen so niedrig wie noch nie seit 1993 sein wird. Die Zunahme der Stellenzahl in 2002 beruhte ausschließlich auf dem Bereich der Sozialgerichte, nachdem deren Präsidentin die dortige lange Verfahrensdauer öffentlich angeprangert hatte. Der Stellenabbau der übrigen Gerichte stagnierte seit dieser Zeit5. Jetzt wird der Abbau wieder fortgesetzt.

Am Schlimmsten hat es das OLG6 getroffen: es hat Ende 2005 nur noch ¾ der Stellenzahl aus 1993. In der großen Justiz“reform“ wird von Qualitätssicherung geredet, aber unser wichtigstes Mittel zur Qualitätssicherung – unser OLG – wird zusammengestrichen.

Die Politik begründet die Stellenstreichungen mit der schlechten Haushaltslage. Eine zusätzliche R1-Richterstelle kostet 75.100 € pro Jahr7. Dafür ist angeblich kein Geld da. Aber für Folgendes hat Hamburg laut diesjährigen Presseberichten genug Geld8:

·       37 Mio. EUR spendiert die Stadt einer privaten Endo-Klinik, damit diese ihren Sitz nach Hamburg verlegt (HmbAbl. 7.9.05)

·       90 Mio. € will Hamburg für den U-Bahn-Abschnitt zwischen Überseequartier und Lohsepark (Teil der Hafencity-U-Bahn) allein bezahlen. (taz 26.8.05)

·      1,6 Mio. € wurden in ein Frauenhaus investiert, dem sowieso die Förderung gestrichen wird. (Abendblatt 21.6.05)

·      1 Mio. € sind da für den aus Hamburg ohnehin wegziehenden Bambi-Filmpreis.

(Abendblatt 16.6.05)

·      Für 9,5 Mio. €, wird der Spielbudenplatz umgestaltet. (Abendblatt 26.5.05)

·      48 Mio. sollen für die Fußball-WM aus diversen Behördentöpfen aufgebracht werden. (Abendblatt 25.5.05)

·      10 Mio. € steuert die Stadt zu Hagenbecks Troparium bei. (Abendblatt 25.5.05)

·      77 Mio. € will die Stadt für die Schaffung der Elbphilharmonie ausgeben (taz 29.6.05)

·      1,2 Mio. € pro Jahr werden für die Verschönerung von Hamburgs Plätzen neu vorgesehen. (BüDrucks. v. 15.2.05)

·      56 Mio. € plus millionenschwere vereinbarte (!) Grundstücksverteuerung wird die Stadt für die Landebahnverlängerung eines privaten Unternehmens tragen.

(MoPo 29.01.05)

Ein Teil solcher Positionen, für die Hamburgs Geld tatsächlich ausgegeben wird, mag vielleicht – je nach Sichtweise – wünschenswert sein; ein anderer Teil ist nicht einmal das. Allen diesen Ausgaben gemeinsam ist jedoch, dass Hamburg zu ihnen verfassungsrechtlich nicht verpflichtet  ist – im Gegensatz zur Pflicht, die Gerichte angemessen auszustatten9.

Wolfgang Hirth


[1] Die Stellen der StA'e hat der Verfasser außerhalb der Richterstellen gesondert ausgewiesen in der das Diagramm spezifizierenden Tabelle.

[2] Für Ende 2005 hat der Verfasser die von ihm in MHR 1/2005, 12 mitgeteilte Stellenstreichung prognostischerweise abgezogen; die Streichung wurde dem Haushaltsausschuss angekündigt (StA: 4; OLG: 3; LG: 3; AG: 3; OVG: 0,5; VG: 3; FG: 0,5; ArbG’e: 1), aber noch nicht vollzogen.

[3] Die Jahreszahlen der Zeit-Achse beziehen sich auf den 31.12. des jeweiligen Jahres.

[4] Die Zahlen aus der Tabelle sind hinsichtlich der Jahre 1993-2004 (zu 2005 s. Fußn. 2) einer Tabelle entnommen, die die Justizbehörde aus den Stellenplänen der vergangenen Jahre seit 1990 gefertigt hat. Hieraus hat der Verfasser die Zahlen für 1990-1992 unberücksichtigt gelassen, weil für diese Jahre die Zahlen für die Sozial- und Arbeitsgerichte nicht eingearbeitet sind und daher die Gesamtstellenzahlen dieser 3 Jahre mit den Folgejahren nicht vergleichbar sind.

5 abgesehen von 3 zusätzlichen Stellen für das AG in 2003, die nun aber gemäß Fußnote 2 wieder gestrichen werden

6 Stellen und Streichungen beim OLG beinhalten auch die dort angesiedelten Richterstellen für Prüfungsamt und Referendarausbildung

7 Personalkostentabelle 2004 (Anlage zum Schreiben der Finanzbehörde vom 11.1.05 - 211/241-1-1/2)

8 Die Links auf die entsprechenden Presseberichte und viele weitere Beispiele sind verzeichnet bei www.richterverein.de/aktuell/keingeld.htm

9 Rechtsprechungsnachweise bei www.richterverein.de/j2000/ausstattung.htm