(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 4/07, 31 ) < home RiV >

Kamilla Wildberg: Die Elbe bei Pillnitz

Pensionärsbilder in der Grundbuchhalle

„Ausbruch und Rückkehr“

und „Augen-Blicke“

 

Am 17. September 2007 eröffnete VRiLG i.R. Willers Amtrup seine, vier Wochen später OStA’in i.R. Sigrid Kamilla Wildberg ihre Ausstellung (vgl. dazu MHR 3/2007, S. 20). Zu den Bildern selbst kann und soll hier nichts geschrieben werden, denn sie sind zum Betrachten, nicht zum Darüberreden (freilich auch zum Erwerb) da. Aber ein paar mehr allgemeine Worte zum Titel seiner Ausstellung „Ausbruch und Rückkehr“, die  Amtrup seinerzeit vorangestellt hatte, passen sicherlich zugleich für die Präsentation vom Oktober und den Wechsel der persönlichen Beleuchtung, den Richter wie Staatsanwälte erfahren, wenn der juristische Alltag ganz von der Kunst ersetzt  und erfüllt wird:

„... Ich habe den Bildern, die hier an den Wänden hängen, das generelle Motto des Aufbruchs bzw. Ausbruchs vorangestellt – und das kennzeichnet die innere Situation, aus der heraus sie entstanden sind.

Als Richter – meinen Kollegen sage ich damit nichts Neues - unterliegt man fast durchgehend dem Zwang zur Neutralität und Ausgewogenheit, und besonders als Strafrichter riskiert man bei jeder bissigen oder gar flapsigen Bemerkung einen Ablehnungsantrag, beißt sich statt dessen lieber dauernd auf die Zunge, schluckt das hinunter, was einem auf derselben lag, und macht, wie es einer meiner früheren Vorsitzenden einmal ausdrückte, ‚kein Gesicht’.

Es dauert eine Weile, bis man sich aus dieser Haltung wieder löst – manche, die ich kenne, schaffen es nie mehr. Aber bei mir wollte und will einfach einiges heraus, wollte ausbrechen aus starren Schemata und aufbrechen zu einer anderen Verwirklichung, will sich sozusagen auch mal etwas ‚austoben’ – daher dann das General-Motto.

Dass ich nun mit meiner ersten Einzelausstellung doch wieder in die Hallen Justitias zurückkehre, entbehrt natürlich nicht einer gewissen Pikanterie.

Ich bin in der glücklichen Lage, die Malerei nicht neu erfinden zu müssen. Ich will nicht mehr berühmt werden auf meine alten Tage, ich muss nicht um jeden Preis originell sein, um irgendeinen Kunstmarkt zu bedienen, sondern kann so arbeiten, wie mir ist.“

Hier dürften sich die gemeinsamen Wege trennen, erwiesen sich doch Zugriff, Gegenstandswahl, Techniken und Ausdrucksrichtung beider Künstler als durchaus unterschiedlich:  Willers Amtrup mag für sich noch mit  ein paar Sätzen zitiert werden:

„Wer sich in der Szene ein wenig auskennt, wird sicherlich bei etlichen Arbeiten meine Affinität zur Malerei des Informel bemerken. Sie kommt mir insofern sehr entgegen, weil sie eben auch keinem starren Schemata folgt, sondern freie Impulsivität fördert, Zufällen Raum lässt, nicht abbildet, sondern die Phantasie anregen will. Deshalb auch der Verzicht auf Titel, die mich und den Betrachter inhaltlich festlegen.

Meine Malerei ist emotional und will Emotionen wecken – und diese Emotionalität führt auch dazu, dass sich ein Bild während seiner Entstehung dauernd ändert und am Schluss meist etwas ganz anderes dabei herauskommt, als es zu Anfang den Anschein hatte. Jeder Titel wäre daher nur eine nachträgliche Interpretation des letztlich Entstandenen.

Meine Bilder bestehen immer aus zahlreichen übereinander liegenden Schichten, die einander teilweise verstärken und teilweise wieder aufheben. Zufälle wirken hinein, bei denen es dann darauf ankommt, sie so zu steuern, dass sie ein Bild nicht nur chaotisch aussehen lassen, sondern es mit strukturieren – manchmal gelingt das, viel häufiger geht es schief und zwingt entweder zur nächsten Schicht oder dazu, das Bild einfach neu weiß zu grundieren oder zu vernichten.

Es sind keine beschaulichen, keine ‚schönen’ Bilder, die bei dieser Art zu arbeiten herauskommen, aber ich hoffe, dass man sie wenigstens teilweise interessant finden kann – obwohl das natürlich bei Bildbeurteilungen ein durchaus zwiespältiger Begriff ist -, dass man Phantasien in sie hinein- oder aus ihnen herausliest ...“

Nun ein paar Worte aus der Begrüßung, mit der Frau Wildberg (deren Bilder noch bis Ende Dezember 2007 hängen werden, und von denen man sich unter www.kam-art.de einen  Eindruck verschaffen kann) in ihre Ausstellung „Augen-Blicke“ einführte:

„Ich bin weder ein Rembrandt noch ein Turner und kann und will das auch nicht sein oder werden. Aber ich stelle mir vor, dass das Malen mir ebenso viel Freude macht, wie die Großen sie damals empfanden. Und ich habe die Erfahrung gemacht – wie Sie sicher auch –, je mehr Freude man an einer Tätigkeit hat, desto besser wird man darin, und je besser man wird, desto mehr Freude hat man daran. Dadurch wird dann irgendwann ein gewisser Ehrgeiz geweckt, der einem Selbstsicherheit verleiht, ein Unternehmen anzugehen wie dieses hier, nämlich eine Ausstellung zu veranstalten. Wenn dann Menschen kommen, um sich meine Bilder anzuschauen, und sogar „wildfremde Menschen“ meine Bilder kaufen, d.h. ihr sauer verdientes Geld dafür ausgeben, dann bin ich richtig stolz und empfinde das als eine sehr hohe Würdigung  .... Ich will mich hier nicht über die Frage verbreiten: „Was ist Kunst?“. Dazu gibt es Bücher über Bücher und natürlich jede Menge Streit. Etwas möchte ich aber doch sagen: Kunst heutzutage soll wohl überwiegend provozieren und schockieren. Nun, ich bestreite nicht, dass es interessant sein kann, einen wurmstichigen Apfel oder ein zertretene Cola-Dose zu malen. Aber an die Wand hängen würde ich mir ein solches Bild nicht. Ich will mit meinen Bildern mich und andere erfreuen. Ich will mir die Schönheiten, die ich in der Natur gesehen habe, erhalten. Vor allem liebe ich es, Landschaften zu malen, die eine besondere Stimmung vermitteln. Ich möchte erreichen, dass der Betrachter in das Bild hineinspazieren will, weil es ihn gefangen nimmt: Lichter, Schatten, die Wolken, das Wasser – zart gefärbt entsprechend dem Stand der Sonne ...

Als ich noch hier bei der Justiz tätig war, habe ich nicht wirklich geahnt, wie schön ein Leben in freier Tätigkeit sein kann, wobei ich nicht außer Acht lasse, dass ich meiner jahrzehntelangen Aktenwühlerei bei Vater Staat meine jetzige Unabhängigkeit verdanke ....“

Man sieht: das Makowka’sche Erbstück, die erneuerte Grundbuchhalle, bewährt sich – ganz in seinem liberalen Geist und Sinn – als gediegener Ort verjüngter Rückkehr durchaus unterschiedlicher Temperamente.

 

Günter Bertram