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Stellungnahme zum Gesetzentwurf

Beurteilungsrichtlinien

Der Hamburgische Richterverein begrüßt, dass erstmals eine Rechtsgrundlage für Beurteilungen geschaffen wird, da diese zu einer besseren Vergleichbarkeit der Bewerber um richterliche Ämter beitragen können. Allerdings darf das Beurteilungswesen nur unter Beachtung des grundsätzlich gegenläufigen Verfassungsgebotes der richterlichen Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) ausgestaltet werden. Deshalb ist es unverzichtbar, die Richterschaft einzubeziehen, wenn Beurteilungsrichtlinien erlassen werden. Dies hat jedenfalls im Rahmen der Mitbestimmungsrechte der Richterräte zu erfolgen.

Die im Entwurf vorgesehene Möglichkeit, dass eine Staatsrätin oder ein Staatsrat den Vorsitz im Richterwahlausschuss führen können soll, wird der verfassungsrechtlichen Stellung des Richterwahlausschusses und der erforderlichen demokratischen Legitimation der Richterschaft nicht gerecht. Der Richterwahlausschuss schlägt dem Senat die hamburgischen Richter und Richterinnen zur Ernennung vor, so dass dem Richterwahlausschuss für die personelle Zusammensetzung der Dritten Staatsgewalt maßgebende Bedeutung zukommt. Gerade bei streitigen Erörterungen im Richterwahlausschuss wird eine mögliche Vertretung des Justizsenators durch nicht in der Weise demokratisch legitimierte Staatsräte der Bedeutung der zu treffenden Entscheidung nicht gerecht.

Der Entwurf gibt Anlass, auf das rechtsstaatlich bedenkliche Vorschlagsverfahren zur Berufung von Richtern und Richterinnen an den obersten Gerichtshöfen des Bundes hinzuweisen. Die Bundesrichter werden von dem zuständigen Bundesminister gemeinsam mit dem Richterwahlausschuss berufen und vom Bundespräsidenten ernannt. Dabei können der zuständige Bundesminister und die Mitglieder des Richterwahlausschusses (jeweils zuständige Landesminister und vom Bundestag gewählte Mitglieder) vorschlagen, wer zum Bundesrichter zu berufen ist. Es ist vollkommen intransparent, wer auf welche Art und Weise von wem als Bundesrichter vorgeschlagen wird. Hamburg sollte diesbezüglich eine Bundesratsinitiative ergreifen, um das Bewerbungs- und Auswahlverfahren transparenter zu gestalten.

Im Einzelnen wird zu dem Entwurf wie folgt Stellung genommen:

Zu § 1:

Nr. 2: § 3a HmbRiG-E schafft eine gesetzliche Grundlage für Beurteilungen der Richterinnen und Richter. Da Beurteilungen regelmäßig Konfliktpotenzial mit der verfassungsrechtlich garantierten Unabhängigkeit der Richterschaft bergen, sind Beurteilungen auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken. Jedenfalls sind beim Erlass von Beurteilungsrichtlinien die Mitbestimmungsrechte der Richterräte zu beachten (vgl. auch § 56 Abs. 1 Nr. 5 HmbRiG).

Systematisch erscheint der Zusammenhang der neuen Rechtsgrundlage mit dem davor geregelten Richtereid nicht gegeben. Vielmehr handelt es sich um eine besondere Regelung des Dienstverhältnisses der Richterschaft, die beispielsweise nach der Verweisung auf das Beamtenrecht geregelt werden könnte, das heißt als neuer § 8a HmbRiG.

Die Rechtsgrundlage für dienstliche Beurteilungen sollte daher wie folgt gefasst werden:

§ 8a HmbRiG „Dienstliche Beurteilungen“

(1) Richterinnen und Richter sind regelmäßig zu beurteilen (Regelbeurteilung); sie sind zudem zu beurteilen, wenn es die dienstlichen oder persönlichen Verhältnisse erfordern (Anlassbeurteilung). Die Justizbehörde kann unter Beachtung der Mitbestimmungsrechte der Richterräte in Beurteilungsrichtlinien nähere Bestimmungen treffen, insbesondere die Beurteilungszeiträume für die Regelbeurteilungen bestimmen und bei Richtern auf Lebenszeit Ausnahmen von der regelmäßigen Beurteilung zulassen. …

Nr. 6 und Nr. 8: Die Neuregelung schafft Klarheit hinsichtlich der Mitgliedschaft der richterlichen Mitglieder, wenn diese während ihrer Mitgliedschaft im Richterwahlausschuss als Präsident/Präsidentin eines Gerichtes oder als ihr ständiger Vertreter/ihre ständige Vertreterin oder als Direktor/Direktorin eines der dem Amtsgericht Hamburg angeschlossenen Amtsgerichte ernannt werden. Begrüßt wird das Inkrafttreten dieser Regelung mit der nächsten Amtszeit des Richterwahlausschusses.

Nr. 7: Die beabsichtigte Änderung wird abgelehnt. Allein die gewünschte pragmatische Flexibilität wird der verfassungsrechtlichen Bedeutung des Richterwahlausschusses und der erforderlichen demokratischen Legitimation der Richterschaft nicht gerecht. Der Richterwahlausschuss schlägt dem Senat die hamburgischen Richter und Richterinnen zur Ernennung vor (Art. 63 Abs. 1 Satz 1 Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg). Der Richterwahlausschuss besitzt damit eine maßgebliche Bedeutung für die demokratische Legitimation der unabhängigen Justiz. Dieser Bedeutung wird es nicht gerecht, den Vorsitz für Staatsräte/Staats­rätinnen zu ermöglichen. Diese sind lediglich zur Beratung des Senats und zur Bearbeitung seiner Angelegenheiten ernannt. Da Vorschläge in den Sitzungen erörtert werden können, sollte dabei auch der Justizsenator/die Justizsenatorin selbst Rede und Antwort stehen können. Ein weisungsgebundener und nicht in der Weise demokratisch legitimierter Staatsrat kann dieses Erfordernis nicht erfüllen.

Nr. 12: Die Zuständigkeit des Justizsenators/der Justizsenatorin als Mitglied des (Bundes-)Richterwahlausschusses ändert nichts an den oben dargestellten Bedenken gegen das Zustandekommen der Vorschläge für Bundesrichter/Bundesrichterinnen.

 Hamburgischer Richterverein

             - Vorstand -